Reisekolumne Wanderung Fjordnorwegen
Wanderung zur Felskanzel Preikestolen oberhalb des Lysefjords
Manche Orte lassen einen nicht los. Der Preikestolen ist für uns so ein Ort. Jahre nach unserer ersten Wanderung spürten wir den Drang, noch einmal dorthin zurückzukehren. Der Gedanke an den Blick über den Lysefjord, die raue Schönheit der Landschaft und die besondere Stimmung am frühen Morgen ließ uns nicht los. Doch nicht nur die Erinnerung zog uns wieder hierher - auch die Neugier, wie sich der Ort verändert hatte, spielte eine Rolle. Der Preikestolen ist heute eines der bekanntesten Wanderziele Norwegens, und wir wollten sehen, was die Jahre aus ihm gemacht hatten.
Bei unserer ersten Wanderung parkten wir frühmorgens auf einer schlichten Fläche, fast allein. Heute empfing uns das Preikestolen BaseCamp mit einem großen, modernen Parkplatz, Unterkünften und einem kleinen Restaurant, das allerdings nur in der Hochsaison geöffnet ist. Die Veränderungen waren offensichtlich: mehr Infrastruktur, mehr Besucher, aber auch eine bessere Organisation. Trotzdem: Als wir vor Sonnenaufgang aufbrachen, war der Parkplatz noch fast leer - ein Moment der Vertrautheit inmitten des Wandels.
Die Strecke zum Preikestolen ist rund 8 Kilometer lang und überwindet etwa 350 Höhenmeter. Früher war der Weg uneben und stellenweise ein Klettern über Felsen. Heute führten uns befestigte Steinstufen nach oben, die von nepalesischen Sherpas errichtet wurden - eine nachhaltige Lösung, um den starken Besucherandrang zu lenken und die Natur zu schützen. Doch die Essenz der Wanderung blieb erhalten. Der schmale Pfad schlängelte sich durch sumpfige Abschnitte mit Holzbohlenwegen, durch dichte Wälder und über karge Felsformationen. Erst nach etwa der Hälfte des Weges öffnete sich der Blick und bot einen ersten Eindruck vom Ende des Lysefjords - ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte.
Was sich nicht verändert hatte, war die Ruhe in den frühen Morgenstunden. Kaum jemand war unterwegs. Das sanfte Licht der aufgehenden Sonne tauchte die Landschaft in weiche Farben, Nebelschwaden hingen über dem Fjord, und das einzige Geräusch war das Knirschen der eigenen Schritte auf dem Stein. Es war dieser Moment, für den sich das frühe Aufstehen lohnte. Ein fast meditativer Aufstieg, den man so nur zu dieser Uhrzeit erleben kann.
Nach etwa zwei Stunden erreichten wir das Felsplateau. Nur eine Handvoll Menschen war bereits dort, verteilt über die weitläufige Fläche. Und da war er wieder: dieser Moment, der uns damals schon sprachlos gemacht hatte.
604 Meter über dem Lysefjord, an der Kante des gewaltigen Felsens Preikestolen, war die Welt weit und ruhig. Die Szenerie war überwältigend - das tiefe Blau des Wassers, die dramatischen Berghänge, die Silhouetten der Gipfel in der Ferne. Ein Ort, an dem man einfach nur sitzen und schauen möchte. Während einige sich mutig an die Kante wagten, um den Nervenkitzel zu spüren, ließen wir einfach den Moment auf uns wirken. Keine Kamera kann diesen Eindruck wirklich einfangen - es ist ein Gefühl, das man erlebt haben muss.
Auf dem Rückweg sah es ganz anders aus. Immer mehr Wanderer kamen uns entgegen, die Stille war verschwunden. Der Parkplatz, den wir noch leer gesehen hatten, war nun randvoll. Der Preikestolen ist längst kein Geheimtipp mehr - mit über 300.000 Besuchern im Jahr zählt er zu den beliebtesten Wanderzielen Norwegens.
Und doch: Trotz der Veränderungen blieb die Magie des Ortes bestehen. Die Wanderung ist mehr als nur ein Weg zu einem spektakulären Aussichtspunkt. Sie ist eine Reise durch eine faszinierende Landschaft, ein Wechselspiel aus Anstrengung und Staunen, aus Einsamkeit und Trubel. Wer den Massen aus dem Weg gehen will, sollte früh starten - denn die schönsten Momente gehören denen, die den Berg mit der Morgensonne teilen.
Der Preikestolen ist ein symbolträchtiges Ziel für alle, die Norwegens wilde Schönheit hautnah erleben möchten. Die fortlaufenden Verbesserungen des Weges haben dafür gesorgt, dass dieser berühmte Punkt sowohl für erfahrene Wanderer als auch für weniger geübte Besucher zugänglicher geworden ist. Der Startpunkt der Wanderung ist das Preikestolen Base Camp, das auf etwa 270 Metern Höhe liegt. Von hier aus beginnt der Aufstieg durch eine abwechslungsreiche Landschaft.
Damit die Wanderung zum Preikestolen ein unvergessliches Erlebnis wird, gibt es einige Dinge zu beachten:
- Gutes Schuhwerk ist unerlässlich: Der Weg führt über steinige Passagen, Holzstege und einige rutschige Abschnitte - besonders nach Regen können die Felsen glatt sein. Feste Wanderschuhe mit gutem Profil sind daher ein Muss.
- Früh starten lohnt sich: Wer den Preikestolen in aller Ruhe erleben möchte, sollte sich früh auf den Weg machen. Nicht nur, um dem Ansturm der Tagesbesucher zu entgehen, sondern auch, um das spektakuläre Morgenlicht zu genießen. In den frühen Stunden liegt der Fjord oft still unter einer dünnen Nebeldecke, während die ersten Sonnenstrahlen die Felswände in warmes Licht tauchen.
- Das Wetter im Auge behalten: Auch wenn es am Base Camp noch angenehm mild ist, kann es weiter oben deutlich kühler und windiger werden. In den Bergen schlägt das Wetter schnell um - eine wasserdichte Jacke und warme Kleidung gehören daher unbedingt in den Rucksack.
- Die beste Reisezeit wählen: Von Mai bis Oktober sind die Bedingungen für die Wanderung am besten. Wer die Stille der Natur genießen möchte, sollte im Frühjahr oder Herbst kommen - dann sind die Wege weniger überlaufen, und die Landschaft zeigt sich in besonders intensiven Farben.
- Parken und Anreise: Der Parkplatz am Base Camp füllt sich schnell. Wer mit dem Auto anreist, sollte früh da sein oder alternativ den Shuttlebus von Stavanger oder Tau nutzen.
- Übernachtungsmöglichkeit für Wohnmobilreisende: Direkt in der Nähe des Base Camps liegt der Preikestolen Campingplatz, eine ideale Basis für alle, die flexibel reisen. Hier gibt es moderne Sanitäranlagen, Stellplätze mit Stromanschluss und einen kleinen Kiosk für das Nötigste. Wer nach der Wanderung nicht direkt weiterfahren möchte, kann hier entspannen und sich auf den nächsten Tag vorbereiten.